Vor mir saß eine meiner kleineren Patienten:  Eine 50 Gramm schwere, braun-gescheckte Hamsterdame in einer Transportbox.

Sie saß zusammengekauert mit aufgezogenem Bauch und gekrümmtem Rücken und war ganz abgemagert. Sie kniff die Augen zusammen und hatte schleimig blutigen Vaginalausfluss.

Hamster, weiblich

Hamster, weiblich

Bei der Untersuchung fiel mir die stark ausgetrocknete Haut auf – ein massives Flüssigkeitsdefizit. Mit Hilfe einer Ultraschalluntersuchung des Bauches bestätigte ich meinen Verdacht:  Blut hatte sich in der Gebärmutter angesammelteine Hämometra.

Ursachen einer Hämometra sind oft hormonelle Einflüsse, infolge dessen kommt es zu Einblutungen in die Gebärmutter und im schlimmsten Fall zur Anämie/ Blutarmut. Wenn der Besitzer und der Tierarzt nicht schnell genug reagieren, führt dies unweigerlich zum Tod.

Die Besitzerin des Hamsters, ein kleines Mädchen, war mit ihrem Vater in meine Praxis gekommen. Erwartungsvoll schaute sie mich an: „Das schaut nicht gut aus.“, ließ ich sie wissen.

„Sie ist heute nicht stabil genug, um einen operativen Eingriff zu wagen. Ich werde ihr jetzt eine Infusion geben, zudem wird sie ein wirksames Antibiotikum und ein Schmerzmittel erhalten. Wenn diese Therapie anschlägt dann haben wir eine Chance.“

Am nächsten Tag erschien das kleine Mädchen wieder mit ihrem Vater in meiner Praxis. Das Hamsterchen übertraf alle Erwartungen: Es blickte interessiert um sich und marschierte von selbst ohne Hilfe aus dem Käfig. Sie zeigte einen unglaublichen Lebenswillen. Sie wollte weiterleben.

So kam es, dass wir uns entschieden  „Lina“ zu operieren. Ihr Kreislauf war stabil genug. Unter Inhalationsnarkose wurde die Bauchoperation durchgeführt: Die Gebärmutter und die beiden Eierstöcke wurden im OP entfernt.  Anschließend verschloss ich die Bauchdecke wieder in mehreren Schichten.

Die Hamsterdame überstand auch die Operation erstaunlich gut.

In den Folgetagen verabreichte ich weiter regelmässig Infusionen, Antibiotika und Schmerzmittel. „Lina“ aß und trank und wurde zunehmend aktiver. Bald schon würde sie vollends genesen sein.

Diese Patientengeschichte gehört zu einer der schönsten in meiner Praxis. Wieder einmal hatte ich erfahren, dass auch in den kleinsten Geschöpfen eine starke Kraft und ein übermäßiger Überlebenswillen wohnen kann.

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