Halb elf vormittags in der Praxis – ich war gerade im Gespräch mit einer Neukundin. Sie äußerte Besorgnis darüber, dass ihr Hund einen Tumor haben könnte: Ihr Mischling habe seit mehreren Tagen eine Schwellung unter dem linken Auge. Der Hund würde Kaustörungen und Anzeichen von Zahnschmerzen zeigen und außerdem Speicheln.
Ich untersuchte das Tier klinisch: Farbe der Augenschleimhaut, Herztätigkeit, Lungenfunktion, innere Körpertemperatur und tastete den Bauch ab – alles normal.
Nun folgte die spezielle klinische Untersuchung. Die Schwellung unter dem linken Auge war fluktuierend, d.h. es war Flüssigkeit spürbar. Ich vermutete eine Zahnwurzelentzündung. Für Tiere ist das genauso unangenehm wie für uns Menschen. Mein Patient erhielt erst mal Antibiotika und Schmerzmittel.
Am Folgetag wurde der Hund teilstationär aufgenommen und in Narkose gelegt. Röntgenbilder und eine weitere Abklärung waren leider nur so möglich, da sich mein Patient nicht ins Maul schauen lies. Mein Verdacht wurde bestätigt. Der größte Backenzahn (P4) musste extrahiert werden – die Entzündung der Wurzel war die Ursache der Schwellung unter dem linken Auge.
Da mein Patient keiner von den kleinen war, hatte auch sein Backenzahn eine beachtliche Größe. Eine Extraktion in einem Stück war nicht möglich. Vielmehr musste der Zahn zunächst in drei Teile zersägt werden. Erst dann konnten die Teile mit einem Meißel, dem sogenannten Beinschen Hebel, entfernt werden. Anschließend wurde der Abszess eröffnet und gespült sowie eine Drainage eingelegt. Die Drainage war wichtig, damit der Abszess auch in den Folgetagen gespült werden konnte. So versorgt, wurde mein Patient nach dem Aufwachen wieder zu seinem Frauchen entlassen.
In den folgenden Tagen kamen die beiden regelmäßig zur Wundspülung – zudem erhielt mein Patient weiter Antibiotika und Schmerzmittel.
Sechs Tage nach der OP war dann auch kein Eiter mehr feststellbar. Die Drainage wurde entfernt – und mein Patient konnte als geheilt entlassen werden.